Polens Nordwesten - Fünfter Teil

Ukiel See - Osterode - Thorn (Übernachtung) - Bentschen  (Übernachtung) -  Guben (Grenzübergang) -

Spreewald (2 Übernachtungen) - Eisenach (Wanderung in der Drachenschlucht) - individuelle Heimreise


7. September 2004

Auch unsere Riesenbabies haben hier ein schönes Aussichtsplätzchen

Heute fahren wir über Osterode (Ostroda) und Brodnica in die schöne Stadt Thorn (Torun), wo wir auf dem Campingplatz Tramp am Ufer der Weichsel übernachten wollen.

Route 9  175,00 km

UKIEL - OSTERODE - BRODNICA -THORN

Der Campingplatzbesitzer in Gułkowo erklärt uns, wie wir am besten von seinem Platz aus fahren: Richtung Olsztyn, bei der 3. Ampel rechts abbiegen in eine Straße, die nur bis 3,5,t zugelassen ist, die wir jedoch nehmen müssen, da die andere Alternative unter einer Brücke herführt mit einer Maximalhöhe von 3,5 m. Die schmale Straße ist jedoch auch für Dickschiffe gut befahrbar. Von dort geradeaus Richtung Ostroda, immer der Straße Nr. 2 folgend.

Die Straße führt anfangs durch herrliche Kiefernwälder, versetzt mit Birken, die für mich immer zu einer „Sonntagslandschaft“ (= friedlich, fröhlich, sonnig) gehören. Das schöne Masuren verlassen wir heute und kommen bei der kleinen Ortschaft Wielki Głeboczek wieder nach Pommern. 

 

Alle müssen noch das eine oder andere einkaufen, und so halten wir bei einem Intermarché, der günstig an der Straße 52 liegt. Bei der Weiterfahrt streifen wir kurz die Strecke, auf der heute eine Etappe der Tour de Pologne (Tour de France à la Polska)  ausgetragen wird. Die Straße Richtung Thorn ist stark befahren, aber ganz okay. 

Bei der Anfahrt auf Thorn ist links ein großer Carrefour-Supermarkt. Wir fahren auf den Parkplatz, um zu beratschlagen, was wir nun machen. Hardy meint, jemand hätte ihm erzählt, die Einfahrt des von mir ausgesuchten Campingplatzes wäre für uns zu schmal, der Platz zu klein, wir sollten lieber  auf einen großen bewachten Parkplatz für LKWs und Busse im Zentrum fahren. Doch das hört sich eigentlich nicht so richtig gemütlich an. Also wird Peters Auto aus der Garage geholt, und ein Spähtrupp fährt zur Campingplatzbegutachtung. Währenddessen kurbeln die anderen die polnische Wirtschaft im Carrefour an. 

Der Spähtrupp kehrt mit der Info zurück, dass der von mir ausgesuchte Platz schön und durchaus für uns geeignet ist. Also fahren wir nun doch auf den vorgeplanten Camping Tramp, der zwar an der Weichsel liegen soll – ich seh’ sie aber nicht (sie liegt gut versteckt hinter hohen Linden, die zur Zeit den Platz so einschneien, dass man am liebsten die Skier herausholen würde). Platz gibt es hier genug, und die Anlage ist sehr gepflegt.

Kontakt

Anschrift:

Camping Tramp (Nr. 33)
ul. Kujawska 14
PL 87-100 Torun

Telefon:

0048-(0)5624187

E-Mail:

osir@swmp.torun.pl

Geöffnet:

Juni bis September

Information

Stellplätze:

100

Fläche:

16000 Quadratmeter

Sterne:

2

Eigenschaften:

Ansprechende Umgebung, Gehobener Komfort, Ruhige Lage

Anfahrt/nächster Ort

Anfahrt:

Str.2/E30 Lódz-Torun an der Straße nach Wloclawek gegenüber dem Bahnhof, ul. Kujawska 14.

Nächster Ort:

Ort 1km

Haltestelle ÖPNV:

0,2km.

Beschreibung

Ebenes Wiesengelände am Südufer der Wisla (Weichsel), Diskothek. Bungalows.

Am Abend spazieren wir in die sehenswerte Altstadt von Thorn. Die Stadt zieht uns gleich in ihren Bann.  Schon von der Weichselbrücke, die man überqueren muss, um in wenigen Minuten in die rechterhand liegende Altstadt zu gelangen, hat man einen herrlichen Blick auf Thorn.

Thorn, Hauptstadt der polnischen Woidwodschaft Toruń mit Binnenhafen an der unteren Weichsel.  

Die Altstadt von Thorn ist reich an gotischen und barocken Bauwerken. Sehenswürdigkeiten sind beispielsweise der Schiefe Turm (14. Jahrhundert), die Stadttore und Mauern entlang der Weichsel, das gotische Altstädter Kauf- und Rathaus (ursprünglich aus dem 13. Jahrhundert, 1602/03 umgebaut), die Kirchen Sankt Johann, Sankt Jakob und die Marienkirche sowie die Ruinen einer zerstörten Burg des Deutschen Ordens (erbaut 1231). Die polnische Stadt verfügt außerdem über ein Volkskundemuseum – das in einem ehemaligen Arsenal untergebracht ist – und ist Hauptsitz des Theaters von Pommern. Thorns Universität ist nach dem polnischen Astronomen Nikolaus Kopernikus benannt, der im Jahr 1473 in der Stadt geboren wurde. 

Thorn wurde 1231 als erster Stützpunkt des Deutschen Ordens im Culmer Land am rechten Ufer der Weichsel gegründet und erhielt zwei Jahre später das Stadtrecht. Durch seine Lage an wichtigen Verkehrswegen entwickelte sich der Ort rasch zu einem florierenden Handelsplatz (seit dem Jahr 1280 ist die Mitgliedschaft in der Hanse bezeugt). Im 1. Thorner Frieden (1411) behauptete der Deutsche Orden seine Gebiete. 1466, mit dem 2. Thorner Frieden, musste er jedoch das Ermland, das Culmer Land und Pomerellen an Polen abgeben. Thorn selbst geriet bereits 1454 unter polnische Herrschaft. Die Stadt an der Weichsel wurde 1724 durch das so genannte Thorner Blutgericht über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Wegen jesuitenfeindlicher Kundgebungen verurteilte das Gericht die Bürgermeister und zehn Bürger der Stadt zum Tod. Von 1793 bis 1807 und von 1815 bis 1920 war Thorn preußisch, bis zur Besetzung durch deutsche Truppen 1939 polnisch.  

Seit 1945 gehört die Stadt an der Weichsel wieder zu Polen.

 

Gebäude der alten Universität

Rathaus - im Hintergrund die Türme der Marienkirche

Marienkirche

Heiliggeist-Kirche

Kopernikus-Denkmal

Haus unter dem Stern

Kopernikus-Denkmal

Gotische und barocke Bürgerhäuser

Artushof

Kopernikus-Haus

vor dem Kopernikus-Denkmal

Haus unter dem Stern

Marienkirche

Artushof am Abend

Rathausturm

Herrliche Kuppel im Eingang des Artushofes

Nachdem wir uns die wichtigsten Sehenswürdigkeiten auf dem Alten Markt angesehen haben, setzen wir uns in eines der vielen schönen Restaurants rund um den Markt und speisen dort wirklich hervorragend und wie immer sehr preiswert. Schöne Musik klingt zu uns herüber und wir haben noch keine Lust, zum Campingplatz zurückzukehren. Nach einem kleinen Bummel auf der sich an den Markt anschließenden breiten Fußgängerzone mit herrlichen Häusern setzen wir uns noch in ein Straßenlokal direkt am Rathaus. Ein  junger Mann  mit Gitarre spielt alle Songs, die wir aus unserer reiferen Jugend kennen. – Ein Abend zum Träumen schön!


8. September 2004

Heute fahren wir über Gnesen (Gniezno) und Posen (Poznan) Richtung Frankfurt / Oder und werden uns nach ca. 220 km Fahrt einen Campingplatz suchen. Ich habe einen im Visier, der an einem kleinen See liegt, aber in der Campingkarte von Polen ist keine Tel. Nr. angegeben, bei der man nachfragen könnte, ob der Platz für uns geeignet wäre. Unseren Freunden ist das zu riskant, und so wird noch ein anderer Platz gesucht. Mal sehen, wo wir heute noch landen (Route s.u.)

Die Fahrt vom Campingplatz zur Straße Richtung Posen gestaltet sich als etwas problematisch, denn wenn man den direkten Weg nehmen will, muss man unter der Eisenbahnlinie hindurch, und die Brücke hat eine maximale Durchfahrthöhe von 3,2 m. Das klappt nicht mal mit unserem "Kleinen". Da fällt mir ein, dass Günther mich bei einer solchen Aktion im Gorge du Tarne mal auf unser Womo-Dach legen wollte, um zu kontrollieren, ob wir problemlos durch den Tunnel kommen...  Für unsere "Großen" ist die Durchfahrthöhe in jedem Fall zu knapp, und so fahren wir auf einem kleinen Umweg (rote Linie) wieder auf die Straße 15 Richtung Poznan.

 

Route 10  235,4 Kilometer

THORN - GNESEN -POSEN - BENTSCHEN

Etwa 20 Kilometer vor Gnesen verlassen wir die Region Pommern und kommen in die Region Wielkopolska (Großpolen). Die Straße ist stark befahren und hin und wieder tönt es von hinten durch den Äther: Achtung, da kommt wieder ein Kamikaze-Fahrer! Ein Stau hält uns ziemlich lange auf, doch wir kommen nachmittags an unserem Ziel an. Wir umfahren Posen (Poznan)  - schade, ich hätte gern mal wenigstens einen kurzen Sightseeing-Abstecher in die Stadt gemacht.  

Peter Vino hat inzwischen einen Campingplatz in Zbaszyń aus der Camping-Karte herausgesucht und dort angerufen. Sein Gesprächspartner, der nur wenig Deutsch konnte, hat zu verstehen gegeben, dass wir mit 5 großen Womos kommen könnten. Also fahren wir nun nach Zbaszyń (Bentschen).  

Als wir dort ankommen, ist die Mehrheit jedoch gegen den Platz, da es dort zu viele hohe Bäume gibt ( = kein TV-Empfang – und heute Abend kommt ein Fußballspiel, das einige sehen wollen). Wir beugen uns der Mehrheit und stellen uns auf einen unbewachten Parkplatz vor dem Campingplatz (was man in Polen eigentlich nicht tun sollte...). Immerhin gibt es dort keine Bäume. 


Die Frauen machen am Nachmittag einen Bummel durch das kleine Örtchen. Zbaszyn verfügt über eine sehr schöne Barockkirche, auf deren Doppeltürme wir von unserem Parkplatz aus eine gute Sicht haben. Der Ort liegt am Flusslauf der Obra, die in dieser Gegend mehrere Seen bildet, von denen der Bentschener See der größte ist.

 an der Obra

In Bentschen, das nach dem Versailler Vertrag zu Polen gehörte, war ein Deportationslager für deutsche Juden. Ich habe viele Berichte von Deportierten gelesen, die hier eine Zeit ihres Lebens verbrachten. Erschütternde Zeitdokumente!

Henny Goldberg berichtet:

 

Von dem Zielbahnhof im Grenzgebiet bei Bentschen mussten die Deportierten den Weg zur Grenze zu Fuß zurücklegen. Von dort, zu Fuß über die Grenze, sind wir gelaufen. Das war ja egal, ob die Frauen schwanger waren, ob die Leute blind waren, ob sie Krüppel waren, ob sie laufen konnten oder nicht. Man musste gehen. Bis wir ans Niemandsland gekommen sind.

 

Dort (an der Grenze) hielten wir an, wir wussten ja auch nicht - und da sind die Nazis gekommen, mit ihren Gewehren, und das war furchtbar, die Gewehre mit den Bajonetten drauf. Sie haben gesagt: ‚So, jetzt geht rüber, sonst erschießen wir Euch!’ Und da sind alle gelaufen. Wir kannten eine Familie, die hatten ein Neugeborenes, und die liefen. Dabei fiel das Baby auf den Boden. Ein Nazi kam und wollte mit seinem Fuß auf das Kind eintreten - da habe ich den so geschubst, der ist so hingefallen, das war mir ja egal. Sie konnte das Baby aufnehmen und weitergehen.

 

Und dann sind wir auf der anderen Seite wieder gelaufen, durch das Niemandsland, nach Zbaszyn. Das waren auch einige Kilometer. Als wir dort ankamen, wussten die gar nicht, was sie mit uns anfangen sollten. Wir waren 8000 Leute aus ganz Deutschland. Dort war ein großer Pferdestall. Das waren lauter Pferdeställe, mit einem Tor davor, und dort haben sie uns reingebracht und gesagt: ‚Legt Euch da hin!’«

 

9. September 2004

Heute fahren wir wieder zurück nach Deutschland. Am frühen Morgen haben vor den Womos unserer Freunde einige fliegende Händler ihre Stände aufgebaut, es ist ein munteres Treiben rund um unsere Womos. 

Am gestrigen Abend hatten wir gebeten, dass die Kolonne erst nach 9 losfahren möge, weil wir in einem Geschäft etwas umtauschen müssen. Nun wollen die anderen aber doch schon um halb neun fahren (sie fürchten, von den Händlern zugeparkt zu werden – die Stände sind jedoch schon seit dem frühen Morgen aufgebaut, und es kommen auch keine neuen mehr hinzu. Es erübrigt sich, hier etwas zu dem Teamgeist dieser Gruppe zu sagen, für die wir die ganze Reise ausgerichtet und unsere eigenen Vorstellungen hintan gestellt haben. So trennen wir uns also wieder und treffen uns erst im Spreewald wieder, was uns eigentlich nicht unrecht ist.   

Da wir unsere Strecke nun nach eigenem Geschmack planen können, werden wir ein Stück entlang der Oder fahren und den Oderbruch sehen und - wie geplant - in Guben (Gubin) die Grenze überschreiten. Der Rest der Mannschaft fährt in Frankfurt / Oder  zurück nach Deutschland.

Route 11  174,4 Kilometer

BENTSCHEN - GUBEN - LÜBBEN

Unsere Route führt uns durch schöne Alleen, lichte Wälder und kleine Bauerndörfer, in denen die Zeit stehen geblie-ben zu sein scheint. Große Gehöfte aus Backstein vermitteln noch die Atmosphäre der „guten alten Zeit“. Alles ist sauber und liebevoll gepflegt. Die Orte haben zum Teil sehr schöne Kirchen.

 

In Klepsk entdecken wir bei der Durchfahrt eine uralte Holzkirche (rechts).

In den Wäldern sieht man ständig Leute, die Pilze sammeln. Apropos: Wir müssen noch welche kaufen. In Allenstein kauften wir bei einem zahnlosen alten Mütterlein herrliche kleine Pfifferlinge, die sogar schon geputzt waren (über 1 Pfund für 10 Zl - wir haben ihr das Doppelte gegeben) und schmausten gestern Abend fürstlich: Rösti, mit Speck und Zwiebeln kross gebratene Pfifferlinge und Schweinemedaillons. Anschließend sollte es noch frische Waldbeeren mit Sahne geben, aber es ging beim besten Willen nichts mehr in uns hinein.

 

Hinter Brody überqueren wir einen kleinen Nebenfluss der Oder. Die Oder fließt südlich von uns.

Günther ist zum ersten Mal auf dieser Reise richtig entspannt und glücklich „auf seinem Bock“ – so wie ich ihn kenne. „Das ist unsere Art von Urlaub“, meint er. Er hat ja so Recht. Wir sind halt Individualisten. Es ist schön, im Urlaub mit Freunden zusammen zu sein, aber die Fahrt selbst sollte man nicht im Konvoi machen. Man kommt auf den schmalen Straßen, die man hierzulande vorfindet, mit mehreren großen Fahrzeugen nicht von der Stelle, was die Stimmung nicht gerade hebt. - Ständig steht ein Fahrzeug „bei Rot“, und unsere Kolosse müssen sehen, wo sie warten können, ohne den gesamten Straßenverkehr zu blockieren. Morgens sollte man kurz die offizielle Strecke und das Ziel besprechen, und dann sollte jeder so schnell fahren können wie er will, sich ansehen, was ihm gefällt und rasten, wann und wo es ihm passt. Es gäbe sicher sehr viel weniger Stress unter den Teilnehmern, wenn man sich gegenseitig mehr Freiraum lassen würde. Während einer solchen Sightseeing-Rundreise muss genügend Platz für eigene Interessen sein.

In Krosno Odrzanskie (mit schöner Kirche) überqueren wir die Oder.

Die Straße wird nun breiter, aber es fahren nur wenige Autos auf dieser Strecke. Zum Glück sehen wir nur vereinzelte LKWs – die fahren wohl lieber über Frankfurt.

Geschäfte findet man hier auch in ausreichendem Maße, um sich noch mit Gartenzwergen, Wurst, Bier, Schnaps und Zigaretten einzudecken. Das Angebot reicht von Zwergen & Co über Korbwaren, Schuhe, Zigaretten, Getränke, Obst und Wurstwaren bis hin zu Keramik und Schnickschnack aller Art. Nur preiswerte Mädels sieht man hier gar nicht. Tut mir ja jetzt echt Leid für meinen Liebsten.

 

Kurz vor der Grenze tankt Günther noch einmal günstig. Wir fahren ins Zentrum von Guben, das eine malerische Kirchenruine und einen schiefen Backsteinturm zu bieten hat.

Vor der Ruine der Kirche parken wir und stürzen uns ins Gewühl eines Marktes, auf dem Günther 2 Paar Schuhe kauft und ich ein fast echtes Dolce&Gabana- T-Shirt und ein mindestens genauso echtes Kenzo-Top erstehe. Marken und Preise wie in der Türkei oder in Thailand - spoooottbillig!

Um 14 Uhr sind wir wieder in Deutschland und befinden uns gerade im Anflug auf Lübben im Spreewald, als eine Clubkameradin anruft und uns erklärt, sie würden die eigentlich erst für morgen geplante Kahnfahrt im Spreewald gerne schon heute machen, damit C. und P., die morgen schon nach Hause fahren (was nicht erst seit heute bekannt war – warum hat also niemand diese Programmänderung vorher zur Sprache gebracht???), dabei sein könnten. Wir hätten uns auf diese Änderung eingestellt und wären nicht mehr einkaufen gegangen, wenn wir früh genug darüber informiert worden wären. Ständig werden Absprachen umgeworfen in dieser Truppe und zwar von jetzt auf gleich. Es geht nicht um die Kahnfahrt im Spreewald, die wir schon dreimal gemacht haben, traurig sind wir über das unsoziale Verhalten der anderen. Wir haben die ganze Arbeit gemacht, die Route geplant, versucht, es allen recht zu machen. Dann habe ich die die Streckenplanung und das Programm geschrieben, auf CDs gebrannt oder ausgedruckt und an alle verteilt mit der Bitte, Änderungswünsche frühzeitig zu äußern. - Es kam nichts dergleichen – kein Wunder, außer Franca hat keiner die Planung überhaupt vorher gelesen. Dann sind wir drei Wochen lang vorgefahren, haben uns oft geärgert über Desinteresse und Nörgelei und haben uns obendrein beschimpfen lassen müssen. Günther, der 3 Wochen lang alle durch Polen gelotst hat, wird als „Ich-Mensch“ bezeichnet! Alle sind bequem hinterher gefahren und haben sich auf uns verlassen. Was ist das für ein Benehmen? Keiner denkt darüber nach, dass man uns mit dieser Aktion schon wieder vor den Kopf stößt.  So begann die Reise, und so endet sie auch. Was bei uns bleibt, ist ein sehr bitterer Nachgeschmack und eine klare Konsequenz, die wir daraus ziehen werden.

Nun werden wir beide eben morgen statt einer Kahnfahrt eine Paddeltour durch den Spreewald machen, was wir ja schon lange vorhatten. Wir sind ja zum Glück immer in der Lage, selbst ein Programm auf die Beine zu stellen.

Als wir auf dem Spreewald-Camping in Lübben ankommen, ist - wie erwartet - keiner von unseren Freunden (wie definiert man dieses Wort eigentlich?) da. Wir stellen uns hinter die „Bären“, um C. und P., die morgen abfahren wollen, nicht zu blockieren.

Kontakt

Anschrift:

Spreewald-Camping
D 15907 Lübben

Telefon:

0049-(0)3546-7053

Telefax:

0049-(0)3546-7053

E-Mail:

spreewald-camping-luebben@spreewald-info.de

Homepage:  www.spreewald-camping-luebben.de

Geöffnet:

31.03. bis 31.10.

Information

Stellplätze:

160

Dauerstellplätze:

20

Fläche:

30000 Quadratmeter

Sterne:

4

Eigenschaften:

Ansprechende Umgebung, Gehobener Komfort, Ruhige Lage, Überdurchschnittliche Hygiene, Sehr angenehmer Service

Zusätzliches:

Wohnmobilservice

Anfahrt/nächster Ort

Anfahrt PKW:

A13/E36/E55, Ausfahrt 7 oder 8. Liegt südlich des Ortes, dort beschildert.

Nächster Ort:

300m

Haltestelle ÖPNV:

0,5km

Beschreibung

Parzelliertes, ebenes Wiesengelände am Stadtrand, durch Buschreihen und Bäume in mehrere Stellfelder gegliedert. Wasserwanderer-Station. Babyraum. Imbiss. Teilweise TV-Anschluss. Fahrrad- und Bootsverleih. Kahnfährhafen 300m entfernt. Mittagsruhe 12:30-14:00 Uhr.

 

Bei unserer Ankunft ist es gerade erst drei Uhr (hätte man jetzt keine Kahnfahrt mehr bekommen können – kann ich eigentlich nicht glauben). Der Nachmittag liegt noch vor uns, so dass wir beschließen, bereits heute eine Paddeltour zu unternehmen. Wir werden heute auf den breiten Spreewald-Kanälen bei Lübben erst einmal für unsere morgige Traumtour (um Lübbenau herum, wo der Spreewald am romantischsten ist, die Kanäle aber auch besonders schmal sind) trainieren.

Auf dem Campingplatz gibt es einen Bootsverleih, und wir mieten für 6 € / Tag  ein Paddelboot. Leider muss man das Boot selbst zum Wasser tragen, was ziemlich beschwerlich ist. Wir hätten besser gleich gegenüber dem Campingplatz zu einem Bootsverleih gehen sollen. Dort wird einem beim zu Wasser lassen des Bootes und beim Einstieg geholfen. Angesichts von Günthers Akrobatenakt beim Einsteigen, wäre das echt eine verlockende Aussicht.

Anfangs sitze ich hinten, was sich aber paddeltechnisch als eher ungünstig erweist (dat Bötchen is wat buglastisch – zu deutsch: das Boot hängt vorne viel zu tief im Wasser). Also: Noch mal anlanden, aussteigen, Plätze tauschen. Hört sich einfach an... Wie kommt großes Mann aus kleines Boot? Flüche, Ächzen und Lachkrämpfe in abwechselnder Folge erleichtern die Prozedur auch nicht unbedingt. Schließlich ist der Kraftakt geschafft. Ich schaue mich zwischendurch verstohlen um – zum Glück hat uns niemand beobachtet! 

 

Gott sei Dank, er sitzt drin!

Unsere Paddeltour wird kurze Zeit später bereits in „Kreuzfahrt“ umbenannt. Wir paddeln in einem Aufsehen erregenden Slalom wild diskutierend über das vorher so stille Gewässer.

Kapitän: Dein Rhythmus stimmt nicht!

Leichtmatrose: Du tauchst zu tief ein!

 

Mal beschimpfen wir uns, mal lachen wir uns schlapp. Nach einer halben Stunde gelingt es uns zum ersten Mal, gut 5 Minuten lang geradeaus zu paddeln. Euphorisch beschließen wir, noch etwas zu üben und uns dann für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Kaum ist der Beschluss gefasst, driften wir auch schon wieder ab Richtung Ufergebüsch (siehe Foto oben).

 

links: Landplatz in Sicht - leider steht auf der Brücke ein potentieller Beobachter...

Nach zwei Stunden haben wir erst einmal genug für die Weltmeisterschaft trainiert und bereiten uns seelisch auf das Abenteuer des Ausstiegs vor. Es wird eine un-rühmliche Aktion! Diesmal werden Günthers Bemühungen leider beobachtet.

Nach einem herzhaften Gelächter ist unser Zuschauer, der von der Brücke auf uns herabschaut, jedoch so nett, uns einen Tipp zu geben. Wir versuchen, ihn in die Tat umzusetzen (zum Glück ist der Fachmann schon weitergeradelt...), und stellen fest, so geht’s erst recht nicht.

Irgendwie schafft mein Kapitän es dann doch, ohne Spreetaufe das Boot zu verlassen. Ziemlich erheitert (wo wir sonst schon nichts zu lachen haben...) kehren wir zurück zu unserem guten alten Hiram.

Das ursprünglich in Eisenach geplante Abschiedsessen sollte nach neuer Planung eigentlich heute Abend stattfinden, weil einige Kollegen die Fahrt früher beenden (was mir bei der Planung, wie könnte es anders sein, natürlich nicht mitgeteilt worden war). Da die anderen von der Kahnfahrt noch nicht heimgekehrt sind, rufen wir Hardy an, um zu fragen, ob schon geklärt ist, wo wir essen werden. Es überrascht uns nach den Erfahrungen der letzten Wochen kaum noch, zu erfahren, dass unsere Freunde bereits während der Kahnfahrt gegessen haben. Wir sagen uns gegenseitig, dass wir uns nicht mehr ärgern wollen über die Ignoranz der anderen, doch es gelingt uns nicht. Unser schnell bereitetes Grillmenü ist zwar lecker, aber mir ist der Magen wie zugeschnürt. So etwas haben wir beide noch nie um Umgang mit anderen Menschen erlebt. 

Mit aufgesetzter Munterkeit begrüßen uns die anderen bei ihrer Ankunft. Ich kann mich schlecht verstellen, und darum begrüße ich lediglich Brigitte und Arno, die angereist sind, um die letzten Tage mit uns allen zu verbringen. Eigentlich wollten wir uns zu der erneuten Superaktion nicht äußern, aber Günther platzt der Kragen, als Pierre zu einem Small Talk zu uns an den Tisch tritt. Meine mühsam aufrecht erhaltene Fassung bricht nun auch in sich zusammen. Ich will es nicht bis ins Detail ausbreiten - im Nu ist ein richtiger Streit mit der ganzen Reisegruppe im Gange.

Im Verlaufe der Gespräche darf ich mir auch noch kritische Äußerungen von einem Clubkameraden darüber anhören, dass ich überhaupt Reiseberichte schreibe (die ja sowieso niemand lesen würde...). Ich ärgere mich, dass ich auf diese Bemerkung reagiert und darauf hingewiesen habe, dass viele Menschen meine Berichte im Internet lesen, manch einer unsere Touren nachgefahren ist, viele mir mailen oder ins Gästebuch schreiben. Der nächste Hammer folgt auf dem Fuße: Der Clubkamerad meint, wenn ich die Diashow von unserer Reise zusammenstellen würde, fände er es besser, wenn ich sie nicht allein kommentieren würde, Günther sollte auch mal sprechen, es wäre sonst „zu langweilig“. Es ist einfach nicht zu glauben! Jetzt wird mir auch noch gesagt, was und wie ich meine Berichte von einer Reise anfertigen soll. Wie sagt man im Rheinland - bin ich de Bunnes von denne (= bin ich deren Depp)? Em Lääve nicht! Konsequenz: Meinen Bericht kriegt ihr nicht. Vielleicht könnt ihr ihn ja mal im Internet lesen - wenn ihr Wahrheiten vertragen könnt...

10. September 2004

Am Morgen fühle ich mich wie erschlagen, freue mich aber auf unsere Paddeltour, der Brigitte und Arno sich anschließen wollen. Nachdem wir Peter und Franca, die uns von ihrer verfrühten Abreise erst am Vorabend informiert haben, den Weg frei gemacht haben, und erst einmal in einiger Entfernung stehen geblieben sind, um auch C. und P. die Ausfahrt zu erleichtern, erfahren wir von einem etwas verlegen stotternden Freund, dass die beiden nun doch nicht abfahren. War nicht die heutige Abreise von C. und P. U's Argument für die Verschiebung der Kahnfahrt? Schulterzucken, öh, ja, weiß ich net. Alles klar!  

Ich sage mir, forget it, und frage trotzdem bei allen nach, ob sie eventuell mit uns paddeln wollen. Siehe da, bis auf Elly und Hans wollen alle. Günther und ich leihen uns Fahrräder auf dem Platz und radeln mit Brigitte und Arno nach Lübbenau (oh, dieser Gegenwind, ich habe keine Kondition mehr!), während die anderen sich eine Taxe nehmen.

In Lübbenau am Bootshafen stärken wir uns erst einmal für die bevorstehenden Kräfte zehrenden Sportaktivitäten. Die anschließende Paddeltour ist wunderschön (bezogen auf die Landschaft), die Stimmung etwas aufgesetzt fröhlich. Es wird viel gelacht auf unserem unfreiwilligen Zickzackkurs durch die zauberhafte Wasserwelt des Spreewaldes.

 

Spreewald-Hochzeit

 

An einem der Stände unterwegs kaufen wir Schmalz und „Spreewälder Bitter“ (passender Name, denke ich…).

In Lehde steigen wir aus – Günther wieder mit seiner unfreiwilligen Zirkusnummer - um im „Fröhlichen Hecht“ Kräften und anderes zu tanken für die Rückfahrt.

Gut, dass Paddeln nur in die Arme geht, denn anschließend müssen wir noch heimradeln… Zum Glück haben wir jetzt keinen Gegenwind mehr.

Wieder auf dem Platz angelangt, steht auf unserem Tisch ein Blumengesteck. Ein Clubkamerad erläutert, dass dies das Dankeschön an mich wäre für die Reiseplanung. – Sie hätten von Anfang an vorgehabt, sich mit einer Kleinigkeit bei mir zu bedanken  (eine Anspielung auf Günthers Vorwurf am Vorabend, dass die Gruppe mir bisher nicht einmal ein Dankeschön gesagt hätte). Das hübsche Gesteck hat Elly während unserer Paddeltour besorgt. Ich bedanke mich artig, kann mich aber nicht wirklich darüber freuen. Wenn wir während dieser Reise mehr Freundschaft  erfahren hätten, wäre uns das lieber gewesen! 

Zu unserer Paddeltour sagt ein Clubkamerad wenig später: Das war doch wieder ein wunderschöner Tag, oder? Innerlich muss ich lachen – wessen Idee war das denn?

Der Abend verläuft bei gemeinsamem Grillen und anschließendem Camping-Kneipen-Besuch ohne weitere Diskussion über die Reise und in vordergründiger Freundschaftlichkeit. Von Hans und Elly erfahre ich, dass die Idee, mir mit einem kleinen Geschenk zu danken, ausschließlich von ihnen kam, sie hätten den anderen gesagt, dass dies beim EMHC ganz selbstverständlich wäre. Soviel zu der Aussage, dass das Geschenk von Anfang an geplant gewesen wäre.

Auch in dieser Nacht liege ich lange schlaflos im Bett. Hans sagte heute Abend, er glaube, dass die ganze Geschichte viel mit Neid und Eifersucht der Frauen zu tun hätte. Wenn es so ist, dann muss ich mir dazu auch noch ein paar Gedanken machen. Will ich so etwas überhaupt? Aus dem Alter sind wir doch wohl raus.

11. September 2004

Hans und Elly und P. und C. fahren (doch erst) heute nach Hause, während der Rest der Truppe eventuell noch die geplante Wanderung durch die Höllenschlucht in Eisenach unternehmen und die Nacht auf einem Stellplatz in Alsfeld verbringen will.

Route 12  489,0 Kilometer

LÜBBEN - EISENACH - ALSFELD

 

Eisenach, Kreisstadt in Thüringen, ist Industriestandort mit Maschinenbau, Textil- und elektrotechnischer Industrie und Bischofssitz der evangelisch-lutherischen Kirche. Als Isenacha ist die Stadt am nordwestlichen Ende des Thüringer Waldes 1150 erstmals erwähnt (von den thüringischen Landgrafen gegründet). Es war bis 1498 Residenz eines Fürstentums und zwischen 1596 und 1741 mehrmals für längere Abschnitte Residenz der ernestinischen Wettiner. Danach fiel die Stadt an das Haus Sachsen-Weimar. Im Schutz der Wartburg entwickelte sie sich zum Zentrum der Landgrafschaft Thüringen.  

Die bekannteste Sehenswürdigkeit der Stadt ist die auf einem Hügel über der Stadt liegende Wartburg, eine Burganlage der Landgrafen von Thüringen aus dem 11. Jahrhundert.  

Luther nannte Eisenach 'meine liebe Stadt': von 1498 bis 1501 besuchte er die Pfarrschule St. Georg und predigte 1521 in der Georgenkirche, obwohl er schon unter Reichsacht stand. Er begann in der Wartburg 1521 mit der Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Griechischen. 1685 wurde in der Georgenkirche der große Sohn der Stadt getauft: Johann Sebastian Bach. Das ursprünglich romanische Gotteshaus ist eines der beachtenswerten Bauten am Markt und Aufführungsort von Bachs Konzerten. 1869 wurde in Eisenach von August Bebel und Wilhelm Liebknecht die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) gegründet, aus der, nach dem Zusammenschluss mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV), 1875 erst die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) und 1890 die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) hervorging.

Sehenswürdigkeiten: Romanische Kirche Sankt Nikolai, die spätgotische Kirche Sankt Georg, in der eine Statue von Johann Sebastian Bach steht, das Rathaus, das Schloss Klemda (1260), außerdem das Lutherhaus (in dem Luther aufwuchs), das Geburtshaus von Bach, das Wagner-Museum und im früheren Stadtschloss (18. Jahrhundert) das Thüringer Museum. 

Lohnend evt. auch: Die Automobil-Ausstellungs-Pavillon in der Eisenacher Wartburg-Allee. Die alten, blank polierten Karossen sind Spiegelbild einer technischen Entwicklung seit 1898. Die zwei Jahre zuvor gegründete'Fahrzeugfabrik Eisenach A.G.' fertigte damals den ersten Wartburg-Motorwagen. Klein und kutschenartig war dann'Dixi U 34' um 1907, die immerhin bis nach Australien exportiert wurde. Sogar Lkws und Rennwagen wurden entwickelt. Um 1920 kauften die Bayerischen Motorenwerke sowohl das Eisenacher wie das Gothaer Werk auf, die Automobile hießen fortan BMW. Sechszylinder, Reise- und Sportwagen reihten sich in die Fahrzeugtypen ein. Einen BMW stellte das Werk noch nach 1945 her, ein EMW - E wie Eisenach - folgte, der jedoch nur dem Namen nach variierte. Beim neuen, staatseigenen Betrieb liefen nun Wartburg-Modelle vom Band. 

Wartburg

Durch romanische und gotische Sandsteinbogen am Torhaus betritt man den ersten Burghof mit restaurierten Fachwerkhäusern aus dem 15./16. Jahrhundert. Dazu gehört auch die Vogtei, in der Luther 'gefangen saß'. Älter ist der zweite Burghof mit Zisterne, Südturm, Gadem und dem Palas, mit dessen Bau 1070 begonnen wurde. Eine Kapelle fügte man 1320 ein. Und erst im letzten Jahrhundert wurden historische Restaurationen sowie wertvolle Fresken ausgeführt. 

Der Sage nach gründete Ludwig der Springer, Ahnherr Thüringischer Landgrafen, 1067 die Festung auf dem Wartberg, die bald zum Regierungs- und Repräsentationsbau ausgebaut wurde. Um 1200 trugen Minnesänger wie Walter von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach hier den 'Sängerkrieg' aus, der Richard Wagner zu seiner Oper 'Tannhäuser' anregte. Eine der schönsten Wartburg-Sagen, das 'Rosenwunder', rankt sich um die heilig gesprochene Elisabeth, Frau des Ludowingers Ludwig IV.: Speisen für die Armen verwandelten sich für kurze Zeit in Rosen, weil sie ihrem Mann diese Fürsorge nicht offenbaren wollte. Legendär ist der Tintenfleck in der Lutherstube: Luther, der 1521 als Junker Jörg auf der Wartburg Zuflucht gefunden hatte, soll ein Tintenfass nach dem Teufel geschleudert haben, der ihn beim Übersetzen des Neuen Testaments wohl störte. 1817 schließlich forderten die auf dem Wartburgfest versammelten Burschenschaftler die innere Freiheit und Einheit der deutschen Länder.

Kurz nach 3 erreichen wir nach einer längeren steilen Anfahrt den Parkplatz vor der Hohen Sonne, einem ehemaligen, sehr bekannten Ausflugslokal (Foto unten).

Es riecht brenzlig in unserem Hiram. Günther steigt aus und tut einen Schrei: Das Kühlwasser fließt weg! Die Männer stellen fest, dass der Kühler einen Riss hat. Sie wollen erst einmal abwarten, ob er, wenn er etwas abgekühlt ist, immer noch undicht ist (möglicherweise ist der Riss, der wahrscheinlich schon das Tropfen des Kühlwassers zu Beginn der Reise verursacht hatte, durch die Erhitzung bei der steilen Anfahrt zur Hohen Sonne auseinander gegangen).

Brigitte, Ulla und ich wandern derweil durch die Drachenschlucht, denn ändern kann man an der Situation ja nichts. Zwischendurch telefoniere ich mit Günther. Er hat einen ADAC-Mechaniker zu Hilfe gerufen und ist nun mit ihm unterwegs, um ein Kühler-Dichtungsmittel zu besorgen.

Wanderung durch die Drachenschlucht zur Wartburg


Auf den ersten Metern im Annatal ahnt der Wanderer noch nicht, welch eine großartige Szenerie ihn erwartet. Bald jedoch verengt sich das etwa 1 km lange Kerbtal zuerst zur Schlucht, dann sogar zur Klamm, bis dann schließlich mehr als 10 m hohe, senkrechte Felswände bis auf 73 cm Abstand zusammenrücken. Unter den Holzbohlen des Pfades läuft der Marienbach, der den zahllosen Klüften im Gestein folgt und deshalb ständig seine Richtung ändert. Den 3 km langen Weg durch die Schlucht kann man entweder von der Hohen Sonne (direkt an der B 19) oder von der Sophienaue im Mariental begehen.

 

Die Wanderung durch die Schlucht dauert ca. 1 ¼ Stunde hin und zurück.

Das „A“ an der Felswand steht für „Annatal“. Die Schlucht ist ein Teil dieses wildromantischen Tales.

 

Als wir wieder auf dem Parkplatz sind, kommt Günther gerade mit dem ADAC-Mechaniker zurück. Das Mittel wird in den defekten Kühler geschüttet, Kühlwasser eingefüllt, der Motor angelassen. Nach einigen bangen Minuten stellen wir erleichtert fest, dass es nur noch schwach aus dem Kühler tropft. Wir haben wohl Glück und können weiterfahren. Alle 50 km kontrolliert Günther die Dichtigkeit des Kühlers.


Am frühen Abend erreichen wir die Stadt Alsfeld, die am Oberlauf der Schwalm, zwischen dem Vogelsberg und dem Knüll gelegen ist. Der Ort gilt als „Heimatstadt althessischer Bau- und Handwerkskunst“. an.

Alsfeld

Die von Fachwerkhäusern geprägte Altstadt beherbergt zahlreiche Sehenswürdigkeiten: das spätgotische Rathaus (1512–1516, eines der schönsten Fachwerkhäuser Deutschlands), das Hochzeitshaus (1564–1571), das Weinhaus (1538), das Stumpfhaus (1609), die Dreifaltigkeitskirche (ehemalige Klosterkirche der Augustiner aus dem 14. Jahrhundert), Reste des Augustinerklosters (1280), den 27 Meter hohen Leonhardsturm (1386, Teil der Stadtmauer) sowie die Walpurgiskirche (13.–15. Jh.).

Alsfeld wurde 1069 erstmals urkundlich erwähnt. Das 1280 gegründete Augustinerkloster förderte entscheidend die weitere Entwicklung von Alsfeld, das 1429 die Stadtrechte erhielt. Alsfeld war Mitglied des Rheinischen Städtebundes (13. Jh.) und Residenz (14. Jh.) des Markgrafen Hermann des Gelehrten von Hessen. 1832 wurde Alsfeld zur Kreisstadt erhoben, 1871 erfolgte der Anschluss an die Eisenbahnlinie von Fulda nach Gießen. Die mustergültige Sanierung und Renovierung der Altstadt erbrachte 1975 den Titel „Europäische Modellstadt für Denkmalpflege“.

Wir wollen bei der Sanistation erst entsorgen und dann zum Stellplatz in Alsfeld-Eudorf fahren (Peter Vino hat die besonders gute Küche des Landgasthauses empfohlen), wo Arno uns bereits telefonisch angemeldet hat.  

Eine Ver- und Entsorgungsstation gibt es in Alsfeld bei Hedrich-Caravan, Altenburger Str. 76. 

Als wir bei der angegebenen Adresse ankommen, ist das Tor zum Hof geschlossen. Toll! Promobil sollte solch wichtige Infos wie Öffnungszeiten ja wohl angeben. Dass viele der Beschreibungen von polnischen Campingplätzen im Promobil-Stellplatzführer schlicht falsch waren, kann man ja vielleicht noch entschuldigen, weil die Angaben der Betreiber nicht so leicht zu überprüfen sind, aber die Infos über deutsche Einrichtungen sollten doch vollständig und zutreffend sein.

Wir fahren also weiter mit unserem vollen Grauwassertank bis Alsfeld-Eudorf, wo wir auf dem dortigen Stellplatz am Landgasthaus zum Schäferhof übernachten und im Restaurant des Gasthauses unseren inzwischen quälen-den Hunger stillen wollen. Der Stellplatz liegt in ländlicher Umgebung und garantiert ruhig. Bis zum Restaurant sind es nur ein paar Schritte.

   

Anschrift:

Landgasthaus zum Schäferhof

Ziegenhainer Straße 30

36304 Alsfeld

Tel: +49 6631-96600

Parkplatz hinter dem Gasthof
 

Anmerkung:

Im Landgasthaus zum Schäferhof kann man gut essen.

Wenn man die wirklich sehenswerte Altstadt besuchen will, sollte man jedoch auf einem Wohnmobilstellplatz am Erlenstadion übernachten und in einem der vielen schönen Lokale in der Altstadt (nur wenige Meter zu gehen) essen. 

Unser letzter Urlaubsabend beschert uns ein leckeres Essen, das uns aber trotzdem nicht besonders schmeckt, weil uns die Stimmung auf den Magen schlägt. Hardy meint, man solle den Streit „abhaken“. Wir wissen, dass das bei uns nicht funktionieren wird.

12. September 2004

Gegen 9 verabschieden wir uns von den anderen und treten die letzte Etappe unserer Reise an.

Die Pommern, Ermland und Masuren haben uns auch bei dieser Reise wieder sehr berührt wegen der Schönheit der Landschaft und wegen der Schwermut, die über allem liegt, weil man das Schicksal der Menschen, die hier lebten, einfach nicht vergessen kann.

Agnes Miegel , die in Königsberg geboren wurde, hat ein sehr wehmütiges Gedicht über ihre verlorene Heimat geschrieben, das ich an den Schuss meines Reisetagebuches stellen möchte:

hier klicken

 


 

Anmerkungen zu diesem Reisetagebuch:

Lange - genau genommen 3 Jahre - haben wir gezögert, ob wir dieses Tagebuch einer Gruppenreise überhaupt veröffentlichen sollen. Als wir uns dazu durchgerungen hatten, war es erst einmal eine stark zensierte Version, aus der ich Berichte von Querelen gelöscht hatte. Nachdem wir jedoch innerlich Abstand gewonnen haben - auch von den noch folgenden, wesentlich unerfreulicheren Geschehnissen innerhalb dieser Gruppe, haben wir entschieden, doch das unzensierte Tagebuch dieser Reise zu veröffentlichen.  Die Namen der Mitreisenden wurden, wenn es uns richtig erschien, entfernt oder verändert. Der Club wurde übrigens aufgelöst, kurze Zeit nachdem Günther und ich die Mitgliedschaft kündigten.  Wer wollte denn auch die ganze Clubarbeit auf sich nehmen???

Für uns ist heute klar, dass bei Gruppenreisen mit mehreren Wohnmobilen bestimmte Kriterien eingehalten werden müssen. Ich habe einmal gegenüber gestellt, was unserer Ansicht nach unbedingt beachtet werden muss, und wie das bei unserer Fahrt real ausgesehen hat.

 

Soll Ist
Die Mitreisenden sollten ähnliche Interessen haben. In unserer Gruppe waren die Interessen sehr unterschiedlich.
Vor der Reise abklären, was jeder vom Programm erwartet. Programm wurde nicht gelesen, keiner machte daher vorher Anmerkungen diesbezüglich. Kritik erst während der Reise.
Jeder sollte vorher überprüfen, ob sein Fahrzeug für die geplante Tour geeignet ist. Die "Dickschiffe" waren für diese Reise im Grunde ungeeignet.
Alle Fahrer sollten in der Lage sein, sich auch alleine zurecht zu finden.  (Kartenmaterial und Kenntnis der Strecke). Alle wollten im Konvoi fahren, um sich nicht um die Routenplanung kümmern zu müssen. Dadurch ständige Verzögerungen bei der Fahrt.
Unterschiedliche Routen sollten möglich sein bei abweichenden Interessen oder wenn ein Fahrzeug aus technischen Gründen eine Strecke nicht fahren kann (z.B. zu hoch, zu schwer). siehe oben - Auf manche geplante Strecke mussten wir verzichten, weil die großen Fahrzeuge sie nicht fahren konnten / durften.

Der größte Fehler war sicherlich, dass wir mit fünf großen Wohnmobilen im Konvoi gefahren sind. Bei einer solchen Reise sollte man sich morgens absprechen,  wo die Tagesfahrt hingehen soll und auf welchem Platz man sich wieder treffen wird. So kann jede Fahrzeugbesatzung die Fahrt zum Tagesziel selbst gestalten bezüglich der Streckenführung und der gewünschten Besichtigungen. Zu bestimmten Programmpunkten, die die Gruppe gemeinsam absolvieren will, kann man sich fest verabreden (z.B. Besichtigung einer Stadt, einer Sehenswürdigkeit). Kleine Fahrgemeinschaften, die dasselbe Tagesprogramm geplant haben, können sich so immer noch zusammen finden.

Es würde uns sehr interessieren, welche Erfahrungen andere Wohnmobilfahrer mit ähnlichen Gruppenreisen gemacht haben.